Forschung

Für uns Menschen ist die Orientierung im marinen Lebensraum ohne technische Hilfsmittel nicht möglich, da die Unterwasserwelt mit ihrer durch Dunkelheit und Trübung begrenzten Sicht und die Überwasserwelt mit ihrer auf den ersten Blick vorhandenen Strukturarmut nur wenige für eine erfolgreiche Orientierung verwertbare Informationen bereithält. Ganz im Gegensatz dazu zeigen Meeressäuger, dass sie in der Lage sind, gezielt Futter- oder Paarungsplätze aufzusuchen und auch wieder gezielt und meist geradlinig zu Ruheplätzen zurückzukehren oder ausgedehnte saisonale Wanderungen zu unternehmen. Die Grundlage dieser Orientierungsleistungen von Meeressäugern wie Robben, Zahn- und Bartenwalen, Seekühen und Ottern steht deshalb seit langem sowohl im zoologischen als auch technischen Interesse. Bis heute ist sehr wenig darüber bekannt, welche Informationen sie nutzen, um sich in ihrer näheren Umgebung zu orientieren oder um großräumig zu navigieren. Die Gründe hierfür liegen einerseits in der Unzugänglichkeit der Unterwasserwelt und der schwierigen experimentellen Arbeit mit Wildtieren im Freiland; andererseits sind die Sinnesleistungen dieser Tiere bislang lediglich als klassisch sinnesphysiologische Studien unter Laborbedingungen untersucht worden, wobei hinsichtlich der Anpassung der Sensorik an den aquatischen Lebensraum zumeist von der Leistung und Funktion bekannter Sinnessysteme der Landsäuger ausgegangen wurde. Auch wurde bisher meist versäumt, das Zusammenspiel der verschiedenen Sinnesleistungen mariner Säuger sowie ihre kognitiven Fähigkeiten unter dem übergeordneten Gesichtspunkt der Orientierung im aquatischen Lebensraum zu sehen.

Ziel unserer wissenschaftlichen Arbeit ist es deshalb, mit einem interdisziplinären Ansatz die Grundlagen bisher vernachlässigter mariner Informationskanäle zu erarbeiten und bereits bekannte Orientierungsmechanismen weiter aufzuklären, um letztlich ein Gesamtbild der Orientierungsleistungen mariner Säuger zeichnen zu können.